Die Bibel von Rudolf Kirchschläger in der Gefängniszelle von Václav Malý

Peter Križan20. 4. 2015

Václav Malý war im Jahre 1979 wegen seiner Mitgliedschaft bei der Charta `77 eingesperrt. Um eine Bewilligung, in der Zelle ein Neues Testament zu haben, hat er umsonst gebeten.
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Václav Malý war im Jahre 1979 wegen seiner Mitgliedschaft bei der Charta `77 eingesperrt. Während der Haft hat er mehrmals um Neues Testament gebeten. Eines Tages jedoch hat ihm der Gefängniswärter unversehens und ohne Erklärung eine Bibel übergebracht, und zwar sogar jene, welche seine Eltern für ihn aufbewahrt haben.

Václav hatte Angst, sie auch nur zu berühren, weil er dahinter eine Provokation und einen Verrat vermuten musste. Was, wenn in Kürze eine persönliche Durchsuchung gemacht und er wegen „Schmuggels von verbotener Literatur in eine Besserungsanstalt“ noch zusätzlich bestraft würde! Die Ungewissheit hielt ein paar Tage an, aber schließlich nahm ihm niemand die Bibel, und er kam auch ohne Bestrafung davon. Erst nach der Freilassung hatte er begreifen können, wem er es verdankte. Es geschah auf Intervention des österreichischen Präsidenten Rudolf Kirschläger vor seinem Staatsbesuch in der Tschechoslowakei, der für dessen Präsidenten Gustáv Husák sehr wichtig war.

Der engagierte Kämpfer für Menschenrechte Rudolf Kirchschläger hatte eine besondere Beziehung zur Tschechoslowakei. Denn er war im Jahre 1967 während des Prager Frühlings und dann wieder während der russischen „brüderlichen“ Okkupation im August 1968 als Botschafter seines Landes bei uns tätig. Als er später in guten Treuen Václav die Bibel ins Gefängnis hineinschleusen konnte, erahnte er nicht, dass er ihn in solche Verlegenheit brachte.

Im Jahre 2011 war Václav Malý gemeinsam mit dem Theologen Walter Kirchschläger, dem Sohn von Präsident Rudolf Kirchschläger, für den Preis der Herbert Haag Stiftung für Freiheit in der Kirche nominiert.

Neulich ist ein Buch mit dem Untertitel Ins heute gesprochen zum hundertsten Geburtstag von Rudolf Kirchschläger herausgegeben worden. Darin hat Walter Kirchläger aus den 1200 Präsidentenreden, die Rudolf Kirschläger während der 12 Jahren seiner Amtszeit gehalten hat, eine Auswahl getroffen, sie thematisch gegliedert und redaktionell betreut.

In der Einführung zu diesem Buch sagt der jetzige österreichische Präsident Heinz Fischer:

„Sein erster Auslandsdienstposten war der eines österreichischen Gesandten in Prag ab 1967, sodass er den Prager Frühling des Jahres 1968, aber vor allem auch die gewaltsame Niederschlagung des Prager Frühlings im August 1968 hautnah miterlebte. Rudolf Kirschläger ist damals durch sein couragiertes, einfühlsames, menschenfreundliches und unbürokratisches Verhalten gegenüber Opfern der Repression, die sich zur Flucht aus der ČSSR beziehungsweise zur Einreise nach Österreich entschlossen hatten, oder in anderer Form Hilfe benötigten, in sehr positiver Weise aufgefallen.“

Wir nehmen die Gelegenheit wahr, um uns bei Präsident Rudolf Kirchschläger zu bedanken und ihm eine stille Erinnerung zu widmen. Wir danken auch seinem Sohn Walter Kirchschläger, der den Sinn für Menschenrechte und eine Sympathie gegenüber Tschechien und der Slowakei von seinem Vater geerbt und weitergetragen hat.

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